Über Recht und Repression Text: jrm | Bild: jrm

Freuen wir uns nicht zu früh...

Einige Gedanken nach der Freiraumdemonstration zum (vorläufigen) Abschluss des Effi-Prozesses.

Im Namen der Freiräume zogen am folgenden Wochenende Aktivist*innen durch die stark von Gentrifizierung bedrohten Breitenrain- und Lorrainequartiere. Zur Stelle stand ein massives Polizeiaufgebot – fast als würden die Uniformierten nur auf eine Gelegenheit, einen Faux-Pas warten, um sich für die Klatsche vor Gericht zu rächen. Zwischenfälle blieben aus. Stattdessen zogen die mehreren Hundert bunt und kämpferisch durch die Strassen.
Der Prozess davor: Maximal aufwendig aufgezogen. In den düsteren Zeitgeist reihte sich ebenfalls die Forderung der Staatsanwaltschaft – nota bene in Abwesenheit von Beweisen – alle Angeklagten gleichermassen zu kriminalisieren, ein. Ihre Ansage war klar: In gewissen Fällen bis hin zu unbedingten Freiheitsstrafen! Dieser Versuch allen Angeklagten «Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte» anzuheften, scheiterte. Ein klares Zeichen gegen die mittlerweile gängige Praxis, linken Protest möglichst zu zerschlagen – und so zugleich als Handlanger*innen einer politisch agierenden Polizei zu agieren. Doch nicht zu früh freuen: Ähnliche Vorgehensweisen werden seit Jahren vermehrt bis vor Gericht durchgesetzt, nicht zuletzt bei den juristischen Angriffen auf Antifaschist*innen der Basel Nazifrei-Demo. Dieser Freispruch, so richtig – und dennoch überraschend – er ist, sagt uns eines: Die Messlatte vor Gericht ist verdammt tief! Nur noch in den absurdesten, krassesten Fällen, folgt die Justiz noch dem Schein einer rechtsstaatlichen Logik und nicht den Hetzjagden der Staatsanwaltschaften. Heisst konkret: Auch wenn am Ende ein Teil-Freispruch erwirkt wurde (den Hausfriendensbruch wurde die Verteidigung nicht los) – heute bleibt es oft bei einer umgekehrter Beweislast. Befeuert wird dies von Wutbürger*innen in Kommentarspalten und Politiker*innen mit zweifelhaftem Rechtsverständnis (Phipu lässt grüssen!). Sowohl im Juni-m*, als auch in diesem Heft zeigen Recherchen über Polizei und Justiz, wie Beamt*innen blindes Vertrauen geschenkt wird, egal wie dreist die Lügenkonstrukte sind. Das die Schuld der Angeklagten bewiesen werden muss, das wird längst nicht mehr so genau genommen… So hätte auch dieser Prozess ausgehen können und vielleicht kommt es in der nächsten Instanz erneut zum Schlagabtausch.

Und die Gentrifizierung geht weiter…
Derweil bleiben Gentrifizierung und der Mangel an Freiräumen ein massives Problem in Schweizer Städten. Auch in Bern werden Menschen aufgrund steigender Mieten aus ihren Quartieren verdrängt. In der Coronakrise war zudem augenscheinlich, dass die Abwesenheit von Freiräumen Menschen in die Isolation ihrer eigenen vier Wände schickte – falls sie sich solche überhaupt noch leisten konnten.
In diesem Kontext war die Freiraum-Demo ein kleiner «Tupfer» Farbe, ein Hoffnungsschimmer gegen diese Entwicklungen. Sie zeigt: Der Widerstand lebt. In den Innenstädten das Steuer herumzureissen, das ist möglich. Aktionsformen wie Besetzungen machen es vor – und schaffen neue Treffpunkte, Lebens- und Freiräume (man denke ans Tripity und andere). Beispielhaft beschrieb sie ein Anwalt im Effy-Prozess: «Hausbesetzungen sind das beste Mittel gegen das Sterben der Innenstädte.»
Das letze Wort ist nicht gesprochen. Womöglich nicht vor Gericht, und auf der Strasse – gibt es defintiv Bewegung.