Die Repression in Basel-Stadt hat in den letzten zwei Jahren spürbar zugenommen. Sowohl bei Demonstrationen, als auch bei Besetzungen fällt die Polizei mit repressiveren Einsatztaktiken auf. Das ist auch auf den in ganz Europa geschehenen Rechtsrutsch zurückzuführen.
Der bescherte rechtskonservativen Kräften Rückenwind und ermunterte Politiker*innen im Sicherheitswahn dazu, härtere Strafen für politische Aktionen öffentlich einzufordern. Der dadurch entstehende Druck lässt sich in höheren Strafmass-Forderungen und in der offensiveren Praxis der Polizei deutlich erkennen. Zum lokalen Kontext der Repression in Basel ist zu bemerken, dass das Jahr 2016 unter anderem mit der Besetzung der Matthäuskirche, der wilden Demonstration am 24. Juni (wofür momentan 18 Menschen vor Gericht stehen und mit absurd hohen Strafforderungen konfrontiert sind), mehreren Ausschaffungsblockaden und der Räumung der
Schanze-Besetzung äusserst ereignisreich war. Auch im
folgenden Jahr kam es zu weiteren politischen Auseinandersetzungen
in der Stadt, darunter der Kampf gegen die Erweiterung des Ausschaffungsgefängnisses Bässlergut, worauf die Polizei ebenfalls mit massiver Repression reagierte.
Viel Gegenwind
Sicherheitsvorsteher Baschi Dürr sah sich nach diesen zwei Jahren genötigt, den Polizeikommandant auszuwechseln. Der Neue, Martin Roth, schien ganz der von Oben geforderten Linie zu folgen, sich kompromisslos vor das eigene Korps zu stellen, hart durchzugreifen und gegen die «linksradikale Szene» vorzugehen. Woran könnte es liegen, dass das Besetzen in Basel eher schwierig ist und ein selteneres Phänomen darstellt? Einerseits ist es leider so, dass besetzter Wohnraum gering war und ist. Die «Villa Rosenau» war von 2004 bis 2013 lange das einzig besetzte Haus in Basel. Darauf folgte die «Schwarze Erle», die über zwei Jahre hinweg für viele ein Zuhause war. Nach deren Räumung blieb das «Schlössli» als einziges besetztes Wohnhaus in Basel übrig. Andererseits ist auch das Fehlen eines grösseren sozialen Zentrums in Basel relevant. Das AJZ an der Hochstrasse im Jahre 1981 blieb nur kurz erhalten. Obwohl es seither immer wieder besetzte Treffpunkte wie das «Elsie», das «Uferlos» und die «Schanze» gab, kam es seit den 80er Jahren zu keiner Besetzung
eines solch grossen, zentralen Gebäudes mehr. Die Stadtentwickler*innen gehen in Basel-Stadt mit direkten Grenzen zu Deutschland und Frankreich besonders heftig gegen Besetzer*innenbewegung vor. Leerstehende Häuser werden meistens nach kurzer Zeit abgerissen, Areale stehen nur kurze Zeit leer oder das Übel der Zwischennutzungsagenturen wie Interim tritt in Erscheinung. Ein Phänomen, das die Stadt aktiv fördert. Häufi g werden Grundstücke
aber auch zugunsten von Pharmakonzernen und Versicherungsagenturen verkauft. Durch ihre wirtschaftliche Position ist es leicht für die Konzerne, Druck auf die Stadt auszuüben.
Legale Erpressung durch Androhung eines Wegzuges des Firmenhauptsitzes funktioniert – das sieht mensch in Basel bestens. In der kapitalistischen Moderne ist die Stadt des Bürgertums auch nichts anders als ein Geschäftsmodell. Kein Wunder, dass Besetzungen da stören.
Null Toleranz.
Null Bock, die Flinte ins Korn zu werfen
Die Stadtregierung agiert geschickt. Im Umgang mit Besetzungen wird angestrebt, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Normalerweise versucht die Polizei, nachdem ein Haus besetzt wurde, die Eigentümer*innenschaft zu erreichen und sie dazu zu bringen, einen Räumungsbefehl zu unterschreiben. Meist gelingt das, nur selten wird auf die Kontaktversuche seitens der Besetzer*innen reagiert. Hat die Polizei ihren Räumungsbefehl, so ist es eine Frage der Zeit, bis sie in Vollmontur vor dem Hause steht. Dennoch gab es in Basel einige erfreuliche Meldungen über Besetzungsversuche neuester Vergangenheit. Gestartet wurde das Jahr 2017 mit der Besetzung der Türkheimerstrasse 75 am 1. April. Das «Kollektiv Sockenbop« wandelte während zehn Tagen das Haus in eine farbenfrohe Oase um. Ohne Vorwarnung wurde das Haus von der Eigentümerin Yatu Immobilien AG geräumt und ein paar Monate später abgerissen, ein weiterer Schritt für die Aufwertung des Quartiers St. Johann. Im darauffolgenden Mai wurde die Schlossgasse 12 bereits das zweite Mal besetzt. Nach der sofortigen Räumung im vorherigen Jahr entschied sich der Eigentümer dieses Mal, die Besetzung vorerst zu tolerieren, wohl auch, um dem Druck der Nachbarschaft zu weichen. Nach fünf Jahren Leerstand kamen so einige Vorwürfe gegen ihn auf den Tisch. Jedoch bedurfte das Schlössli einiger Renovierungsarbeit. Neue Wände und Türen mussten eingebaut, Wasser und Stromleitungen verlegt, der Garten entwuchert und bepflanzt werden. Nach und nach zog mensch ein, belebte die leeren Räume und ist bis heute dort anzutreffen. Obwohl ein gutes Verhältnis zum Besitzer besteht, bleibt die Zukunft des kleinen Hauses im gentrifizierungsbedrohten Klybeckquartier ungewiss. In der Nähe des Gebäudes befindet sich ein weiteres vielseitiges und selbstorganisiertes Wohnprojekt: Der einzige besetzte Wagenplatz in Basel.
Was weiter geschah: 2018 im Zeichen der «Elsie»
Zum Schluss des Jahres, am 5. Dezember 2017, wurde die Gärtnerstrasse 112 besetzt. Die Liegenschaft stand schon über fünf Jahre leer, eine neue Wohngemeinschaft war von den Besetzer*innen geplant. Nach wenigen Stunden war Team Blau vor Ort und verhaftete zwei Besetzer des Kollektivs IGBW (Interessengemeinschaft Bedingungsloses Wohnen). Im Juni 2018 kam es zur zweiten Besetzung der IGBW. Die Häuserreihe an der vielbefahrenen Hardstrasse 112–116 liess die Spaini AG bereits seit 17 Jahren (!) verwahrlosen. Schon zwei Mal wurden die Liegenschaften besetzt, beide Male wurden sie innert Kürze geräumt. Eine seit Jahren bestehende Scheinbaustelle versucht die peinliche Situation noch immer zu verbergen. Kurz darauf hat sich die Besetzer*innengruppe «Zät Bap» am 14. Juni die Wohnräume an der Elsässerstrasse 128, 130 und 132 genommen, um sie zu beleben und zu teilen. Die schönen und noch immer intakten Altbauwohnhäuser sollen dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Eigentümerin Areion Management AG plant ein Luxuswohngebäude anstelle bezahlbaren Wohnraums. Drei Tage war die politisch sehr wichtige Häuserreihe, die ein weiteres Paradebeispiel für die Aufwertung im Quartier St. Johann ist, besetzt. Am folgenden Montag wurde die Liegenschaft geräumt, die Eingänge zugemauert, die Besetzer*innen konnten jedoch fliehen.
Am Freitagmorgen, dem 3. August, wurde die knapp 30 000 m² grosse
Brache neben der Kläranlage der Stadt Basel besetzt. Kurz darauf wurden die Besetzer*innen in Handschellen abgeführt. Ein neuer Wohn- und Kulturraum konnte wieder nicht entstehen.
Gemeinsam besetzen wir die Welt
Als wir diese Zeilen schrieben, wurden die Häuser der Elsässerstrasse 128, 130 und 132 ein drittes Mal besetzt. Im Quartier sollte eine Plattform für selbstverwaltete Wohn- und Stadtentwicklung entstehen. Am 16. Oktober schlugen die Eigentümer und ihre Polizei wieder zu und machten dem unliebsamen Spuk ein Ende. Immerhin: Aktivist*innen konnten keine dingfest gemacht werden. Zum Schluss lässt sich bemerken, dass der Versuch, leere Räume auf kreative und neue Arten zu erobern, trotz der repressiven Umständen in Basel nicht aufgegeben wird und mensch sich weiterhin für den Erhalt von vielfältigem, selbstgestaltetem und bezahlbarem Wohnraum einsetzt: Sie bauen Mauern, wir reissen sie nieder. Sie brechen ab, wir brechen auf und nehmen unsere Utopien mit. Wir werden diese leben, komme, was wolle. Zeigen wir uns solidarisch,
organisieren wir uns städteübergreifend und unterstützen
wir uns gegenseitig. Gemeinsam besetzen wir die Welt.