Das World Economic Forum (WEF) findet seit 1971 einmal jährlich in Davos statt. Vom 20. – 24. Januar 2025 gipfeln die Wirtschafts- und Politikgrössen dieser Welt zum 55. Mal in Davos. Die propagierte Vision des WEFs: «den Zustand der Welt verbessern». Wie der Name ins Deutsche übersetzt schon impliziert, ist das WEF ein Weltwirtschaftsforum. Also ein Austauschtreffen, bei dem globale Wirtschaftsthemen debattiert werden und zwar hauptsächlich in Form von Lobbyismus (Beeinflussung von Vertreter*innen der parlamentarischen Politik durch Interessensgruppen, zum Beispiel Konzernen). Hinter meist verschlossenen Türen werden dann Vereinbarungen im Interesse der beteiligten Akteur*innen getroffen.
Eingeladen werden Wirtschaftsexpert*innen, Politiker*innen, zivilgesellschaftliche Akteur*innen und Journalist*innen. Zu den wichtigsten Akteuren des WEF gehören seine über 1‘000 Mitgliedsunternehmen. Mehrheitlich sind dies Konzerne mit einem Jahresumsatz von mindestens 5 Milliarden US-Dollar. Für Nicht-Eingeladene besteht ebenfalls die Möglichkeit, am WEF teilzunehmen. Ein Ticket ist für 27‘000.- bis 200‘000.- Schweizer Franken erhältlich, je nach Zugangsberechtigung.
Eine Veranstaltung dieser Grösse hat seinen Preis. So belaufen sich die Sicherheitskosten für die Durchführung der Veranstaltung jährlich auf rund 9 Millionen Schweizer Franken. Dazu kommen die Kosten für Armeeeinsätze; für die rund 32 Millionen Franken budgetiert werden.
Der Mythos des grünen Kapitalismus
Prominent auf der Agenda der letzten Jahre, passend zur Vision, «den Zustand der Welt verbessern»: die Weiterentwicklung eines «grünen Kapitalismus». Passend dazu wurde 2023 Greta Thunberg als Symbolfigur und Expertin im Kampf gegen den Klimawandel eingeladen. Da Grosskonzerne für den Grossteil der klimaschädlichen Emissionen weltweit verantwortlich sind, wäre eine Verantwortungsübernahme und Auseinandersetzung mit Klimathemen eigentlich angebracht. Dass Thunbergs Präsenz an den kapitalistischen Interessen der Unternehmen nichts ändern würde, war jedoch keine Überraschung. Denn echter Umweltschutz und eine sozial gerechte Klimapolitik generieren keinen Profit. Doch mit ihrem Auftritt konnte der Schein von Nachhaltigkeit und ökologischer Verantwortung hervorragend aufrechterhalten werden – und mit ihm der Mythos des «grünen Kapitalismus».
Die einflussreichen Entscheidungsträger*innen kommen mehrheitlich aus dem globalen Norden und profitieren von der globalen Industrie, die massgebend für die Klimakrise verantwortlich ist . Und sich häufig an den Rohstoffen und die Arbeiter*innen aus Ländern des globalen Südens bereichert. Dennoch treten diese Entscheidungsträger*innen – wenn überhaupt – verhältnismässig unbedeutende finanzielle Summen an Länder im globalen Süden ab. Und dies, obwohl letztere aktuell am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, wie zum Beispiel bei den Überschwemmungen im September 2024 in Nepal mit tausenden Vertriebenen und mehreren hundert Toten.
«Strategische Partner» und moderner Imperialismus
Auf seiner Webseite listet das WEF zahlreiche wirtschaftliche «Partner»; darunter globale Energiekonzerne, undurchsichtige Investitionsriesen im Gesundheits-, Eigentums- und Lebensversicherungsbereich, Banken und Rohstoffkonzerne. Jedem Konzern widmet das WEF eine Kurzbeschreibung. Darin steht, wo er seinen Hauptsitz hat, wie viel er jährlich erwirtschaftet und in manchen Fällen, in wie vielen Staaten und Weltregionen er tätig ist.
In einer Unterliste «Strategic Partners» stellt das WEF seine 100 wichtigsten «strategischen Partner» vor. Bekannte Namen wie Amazon, AstraZeneca, Black Rock, TikTok, Coca-Cola, Google, Huawei, Intel, Mitsubishi, Meta, Mastercard, Nestlé, Novartis, PayPal, Pfizer, PepsiCo, Sony, Uber, UBS, Volkswagen und Zurich Versicherungen gehören dazu. Über die kapitalistischen – und oft auch imperialistischen und ausbeuterischen – Machenschaften jedes dieser Unternehmen könnte wohl ein ganzes Buch geschrieben werden. Deswegen vorerst nur einige Zahlen: Von den 100 mächtigsten Konzernen haben 87 ihren Hauptsitz in Ländern des Globalen Nordens (dazu zählen wir in unserer Auswertung Westeuropa, die USA und Kanada), die Mehrheit davon in den USA. Ganze 11 von 100 haben ihren Hauptsitz in der Schweiz. Anders ausgedrückt: 10% der wichtigsten globalen Unternehmen zahlen somit (sehr tiefe) Steuern an einen Staat, in dem gerade einmal um die 0.11 % der Weltbevölkerung lebt. Dazu gehören sehr bekannte Unternehmen wie die UBS oder Novartis, aber auch weniger prominente Namen wie der Tech-Konzern Salesforce oder der Mineralölhandelskonzern Mercuria Energy Group.
Ein Beispiel für die imperialistischen Ausbeutungsstrukturen, mit denen Staaten des Globalen Nordens sich an den Rohstoffen und Menschenleben von Staaten des Globalen Südens bereichern: Der Konzern ArcelorMittal mit seinem Hauptquartier in England ist ein führendes Unternehmen in der Stahlproduktion. Es operiert in 60 Staaten und besitzt zahlreiche Bergminen in Ländern des globalen Südens. Immer wieder kommt es in diesen zu verheerenden Minenunglücken. Laut Medienberichten waren es allein in Kasachstan in den letzten 20 Jahren mehr als 20 an der Zahl. Zum Beispiel kamen im Jahr 2023 bei einem Brand in einer Miene in Kasachstan mehr als 40 Menschen ums Leben. Dem Konzern scheinen Sicherheitsvorkehrungen, Arbeitsbedingungen und Menschenleben egal zu sein. Die unangenehmste Konsequenz, die ein Konzern dieser Grösse zu befürchten hat, sind negative Medienberichte und/oder Informationen von Whistleblowern. Davon abzulenken und sich einen sauberen Anstrich zu verschaffen ist einfach. ArcelorMittal macht es vor; ein paar Mal das Wort «Nachhaltigkeit» auf der eigenen Webseite verstreuen und das Image ist poliert. Ebenfalls hilfreich: Am WEF teilnehmen, denn dieses steht schliesslich dafür «den Zustand der Welt zu verbessern».
Hinter Krieg und Krise steckt das Kapital
Neben den Konzernen werden einflussreiche Politiker*innen ans WEF eingeladen. Für die Ausgabe 2025 werden zum Beispiel Ursula Von der Leyen (Präsidentin der EU-Kommission) und Javier Milei (Argentinischer Präsident) erwartet. Als politische Machtträger*innen tragen sie einen Grossteil der Verantwortung für zahlreiche Krisen, so etwa die europäische Abschottungspolitik oder der extreme Anstieg an Lebenshaltungskosten in Argentinien, was seit dem Regierungswechsel zu über 60% Armutsbetroffenen geführt hat. Unter anderem sind es diese Politiker*innen, die nach rassistischen Prinzipien vielen Menschen den Zugang zu Wohlstand und persönlicher Sicherheit verwehren.
Auch die aktuellen Kriege dieser Welt können nicht unabhängig von globalen Wirtschaftsstrukturen betrachtet werden. Aktuelle Beispiele sind der Genozid in Gaza und der türkische Angriffskrieg auf die autonome kurdische Region Rojava. Um Kriege zu führen, werden Waffen benötigt. Und daraus lässt sich ordentlich Kapital schlagen. Schweizer Banken investierten 2024 über 15 Milliarden in Rüstungsfonds, ein Grossteil davon investierte die UBS in den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall. Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall produziert unter anderem die Munition, welche auch von der Türkischen Armee für ihren Angriffskrieg in Rojava oder für den Genozid durch Israel verwendet werden.
Im Kapitalismus haben sich diverse Krisen fest in einander verzahnt. Daran ändert das WEF nichts – im Gegenteil; es verstärkt die unterdrückerischen Strukturen einer patriarchalen und rassistischen Gesellschaft.
Macht macht kaputt – also macht Macht kaputt!
Die genannten Beispiele in diesem Text sind nur die Spitze des Eisbergs. Doch seit Jahren gibt es Widerstand «von unten» gegen das WEF. Durch Demonstrationen und alternative Bildungs- und Vernetzungsveranstaltungen setzen sich zahlreiche Menschen dafür ein, dass das WEF abgeschafft wird. Und dafür, dass der Kapitalismus, für den das WEF steht, gebrochen wird.
NO WEF Winterquartier:
09.-12.01.25, Reitschule Bern
https://nowef-winterquartier.info
DAS ANDERE DAVOS:
17.01 / 18.01.25 Volkshaus Zürich
SMASH WEF Demo:
18.01.25, 15:00 Uhr Bern Bahnhof
https://barrikade.info/article/6791
STRIKE WEF Winterwanderung:
18.01 / 19.01.25
https://strikewef.org/de/
TOUR DE LORRAINE:
24.01 – 01.02.25
https://www.tourdelorraine.ch