m*: Seid ihr als die Kunstfiguren eurer Memepages hier oder seid ihr als die Menschen dahinter zum Interview gekommen?
P: Ich kann @pouletbruschthirni nicht von meiner Person trennen. Die Memes entspringen meinem Alltag. Oft handelt es sich dabei um ein Auskotzen – eine Art Verarbeitung von Erlebnissen und Erfahrungen. Ich sehe mich nicht als Kunstfigur, sondern bin einfach ein Mensch mit einer Memepage.
M: Meine Memepage ist nicht Comedy, sondern widerspiegelt vielmehr mein Leben und damit all die Erfahrungen, die ich als Frau in unserer Gesellschaft mache.
m*: Memes anzuschauen stellt vermutlich für viele Menschen vor allem einen lustigen Zeitvertreib dar. Ist dieses Humorvolle für euch eine subversive Weise, Menschen zu informieren und beispielsweise auf Sexismus hinzuweisen?
P: Uns beiden geht es überhaupt nicht darum, lustig zu sein. Die Memes widerspiegeln Erfahrungen, die viele unserer Followers, welche Sexismus erfahren, sehr bekannt vorkommen. Das ist wohl auch das Lustige daran: Die Absurdität, dass es solche «kollektiven Erfahrungen» gibt und diese in der Form von Memes dargestellt werden können. Wir reflektieren als nicht-cis-Männer viel intensiver, bevor wir Inhalte posten. Wir sind vorsichtig, hinterfragen uns selbst oft und zweifeln vieles an. Wer als Mann sozialisiert wurde, wurde eher von klein auf dazu ermutigt, einfach mal «drauf los» zu machen.
M: Humor kann sicher auch als Coping-Mechanismus eingesetzt werden. Wir reduzieren komplexe Erfahrungen auf ein Bild mit ein paar Wörtern. Bevor ich etwas poste, denke ich nie «Ist das lustig?», sondern «Könnte das jemenschen verletzen?». Das Ganze hat auch eine Kehrseite: Dudes können einen – von FLINTAs aufbereiteten – Inhalt einfach in ihrer Story teilen, was sich zu performativem Aktivismus entwickeln kann. Sie merken dann gar nicht, dass genau sie selbst die Dudes in unseren Memes sind. Sie fühlen sich dann so, als wären sie danach frei von sexistischem Verhalten und müssten sich nicht mehr hinterfragen.
m*: Weiblich sozialisierte Menschen gelten innerhalb unserer patriarchalen Gesellschaft oft nicht als genuin lustig, sondern werden als «lustige Frauen» bezeichnet. Wie erlebt ihr das als Memeaccounts?
M: Mein trockener Humor funktioniert im echten Leben nicht gleich gut wie online, weil mein Frausein online vielleicht auch nicht so unmittelbar mit meinen Aussagen in Verbindung gebracht wird. Ich muss im echten Leben ständig sicherstellen, dass meine Witze verstanden werden. Auf der Memepage ist es mir jedoch absolut egal, ob andere mich lustig finden oder nicht. Gerade auch feministische Inhalte werden online irgendwie eher noch toleriert, wenn sie auf humorvolle Weise aufbereitet werden. In Echt werde ich viel öfter als «Kampffeministin» abgestempelt.
P: Damit kann ich voll relaten. Ich bin eine genderfluide Person, werde offline aber eigentlich immer weiblich gelesen. Obwohl ich meine Pronomen (they/sie) in meiner Instagram-Bio habe, werde ich dort regelmässig als «Dude» oder «Bro» angeschrieben. Ich denke, dass diese geschlechterspezifischen Haltungen betreffend Humor viele FLINTA‘s daran hindern, mehr Platz in der Comedy Branche einnehmen zu können.
m*: Wirkt der online-Auftritt und die damit einhergehende Anonymität gewissermassen als Schutz für euch?
P: Ja. Durch die Anonymität fallen jene Vorurteile weg, die sonst aufgrund meines Aussehens oder anderer offensichtlicher Merkmale hätten zustandekommen können. Meine Aussagen werden nicht als «an meine Person oder mein Äusseres geknüpft» verstanden. Du wirst sozusagen ausschliesslich aufgrund deiner Inhalte beurteilt und nicht etwa in Bezug auf deine Geschlechtsidentität, dein Gewicht oder deine Hautfarbe.
M: Die Reaktionen online sind auch ganz anders als offline, obwohl wir ja online immer authentisch sind. Wir erhalten online Gehör, was wir so vom realen Leben nicht kennen. Einmal hat mich eine Person während einer Diskussion auf meine eigene Memepage aufmerksam gemacht: «Dort bei @muetterschiff könntest du dich mal informieren gehen. Da kannst du noch etwas lernen.» Das fand ich sehr absurd. Es zeigt halt auf, dass die Anonymität des Internets – namentlich die Absenz von Körperlichkeit – einen grossen Einfluss darauf hat, wie FLINTAs Gehör entgegengebracht wird.
m*: Für viele Menschen seid ihr auch eine Informationsquelle. Habt ihr euch einen Bildungsauftrag gegeben?
P: Klar betreiben wir im weitesten Sinne Bildung, indem wir Wissen niederschwellig zugänglich machen. Ich stelle jedoch nicht den Anspruch an mich selbst, ein Bildungsaccount zu sein. Grundsätzlich mache ich Memes über meine Erfahrungen, aber reposte viele Inhalte in meiner Story, die ich für gesellschaftlich relevant halte.
M: Ich reposte auch sehr viele Bildungsposts, darum denken vielleicht Menschen, dass ich ein Bildungsaccount sei. Einige meiner Follower*innen sind sehr jung und haben manchmal auch Fragen zu den Basics von antidiskriminierendem Aktivismus. Gerade bei diesen jungen Follower*innen bin ich grosszügig. Generell haben nicht alle Menschen die gleichen Ressourcen – kognitive, ökonomische, und so weiter – um an Wissen zu gelangen, weshalb es wichtig ist, einen niederschwelligen Zugang dazu zu schaffen. Das ist natürlich nicht nur auf Instragram bezogen.
m*: Hinter euren Posts muss ein enormer Zeit- und Energieaufwand, sowie gratis Care-Arbeit stecken. Was treibt euch an, diese Arbeit zu betreiben? Und habt ihr euch schon überlegt, eine Spendefunktion oder sowas einzubauen?
M: Zu gewissen Zeiten habe ich eine Reichweite von 25 000 Accounts mit meinem Profil. Das ist auch sehr beängstigend. Gerade als Frau kenne ich das sonst nicht, so viel Gehör für meine Aussagen zu erhalten. Was aber am meisten pusht, weiterzumachen, sind all die Rückmeldungen, die bestätigen, dass wir uns mit unseren Erfahrungen nicht alleine sind. Wir machen quasi die Posts, die wir selber gerne sehen würden. Ehrlich gesagt, spornt es mich auch an, als FLINTA Account nicht einfach den cis-männlichen Accounts das Feld zu überlassen. Geld ist sicher eine Form von Anerkennung, aber wir sind fest davon überzeugt, dass Bildung, ob im engeren oder weiteren Sinn, auch immer gratis zugänglich sein soll.
P: Mir geht es nicht primär um die Reaktionen von Follower*innen. Mit der wachsenden Follower*innenschaft steigt jedoch trotzdem der Druck, für andere zu posten. Ich erhalte öfter mal Nachrichten, in denen ich um Stellungnahmen zu gewissen Themen aufgefordert werde, wenn ich mal eine Zeit lang nicht so aktiv bin. Aber das ist nicht die Intention hinter meinem Account. Darum versuche ich, mich davon nicht gross beeinflussen zu lassen und sage nichts, wenn ich nichts zu sagen habe. Und ja, unsere Arbeit ist auch Care-Arbeit. Wir stehen in regem online-Kontakt, fangen Emotionen auf, treten in Diskurs oder vermitteln Hilfsangebote. Doch es gibt andere Orte bei denen Spenden viel angebrachter wären.
m*: Eure ersten beiden Podcastfolgen sind nun auf Spotify und Co. zu hören! Wie seid ihr auf die Idee gekommen, neben Instagram ein weiteres Format zu nutzen?
P: Wir kommunizieren miteinander vor allem per Sprachnachrichten und witzelten, dass wir uns ja quasi Podcasts hin- und herschicken, und dass wir da genauso gut unsere Unterhaltungen aufnehmen und veröffentlichen könnten.
M: Erst waren da so Zweifel, wie: «Ist es überhaupt legitim, dass wir jetzt auch noch einen Podcast machen?» und: «Es gibt davon doch schon genug, wieso sollten gerade wir auch noch einen raushauen?». Doch dann dachten wir, dass es etliche Podcast von cis-Dudes gibt, in denen typischerweise Bier gesoffen und gelabert wird. Da sollten wir uns doch auch noch dazwischen irgendwo einnisten können.
P: Wir sprechen in unserem Podcast vor allem über Themen, die uns beschäftigen und über die unserer Meinung nach in der Öffentlichkeit zu wenig gesprochen wird. Bei der ersten Folge geht es um Entschuldigungen, bei der zweiten um den Menstruationszyklus. Wenn sich Menschen beim Zuhören abgeholt fühlen und vielleicht zwischendurch mitkichern, umso besser.