Medina & Cafete Text: lka & lea | Bild: jem

Die Tore sind offen

Vor dem Vorplatz oder ein bisschen dahinter: Medina und die Cafete wollen ein Ort für alle sein. Auch wenn das manchmal risikobehaftet ist. Wie die beiden Kollektive das anstellen und was die Schliessung der Reitschule für sie bedeutet hat.

Über einen Monat ist es nun her, dass die Reitschule für zwei Wochen ihre Tore geschlossen hat. Jetzt finden im Dachstock wieder Konzerte statt, auf dem Vorplatz tummeln sich an einem Abend so viele junge Menschen, dass man denken möchte, die alten Zeiten seien zurück. Auch im Tojo, im Infoladen, im Kino, in der Cafete und in Souli und Rössli treffen sich wieder Menschen, schauen Theater, essen Pommes.

Was sich geändert hat? Die «No Deal Haltung» wird konsequenter durchgesetzt. Es gibt mehr Schichten, am Tor und auf dem Vorplatz. Medien berichten schweizweit über die Reitschule und auch wenn die Berichterstattung nicht nur positiv ausfällt, so wird doch oft der Punkt gemacht, dass die Reitschule als Ort bestehen müsse.

Nicht nur Kulturort
Wie in den Medien oft betont wurde, ist die Reitschule ein Kulturort, der nicht verloren gehen darf. Aber die Reitschule ist noch mehr, sie ist ein politischer Ort, von dem aus im besten Fall ein Wunsch und eine Kraft ausgeht, etwas zu verändern. Sie ist Zufluchtsort für viele, jung bis alt. Und ein Ort der Vermischung, an dem hippes Kulturpublikum auf marginalisierte Menschen trifft. Viele solche Orte gibt es nicht. Und hier setzen Medina und Cafete einen Schwerpunkt. Beide Kollektive wollen im Perimeter Reitschule für möglichst alle zugänglich sein.

Für Medina war die zweiwöchige Pause herausfordernd. Medina öffnete ihren Container wie gewohnt, aber aufgrund der Reitschulschliessung fiel die Unterstützung, die das Souli bei aussergewöhnlichen Situationen leistet, weg. Die Stimmung auf dem Platz war angespannter und trister. Viele Besuchende blieben dem Treffpunkt fern.

Auch für das Cafete-Kollektiv war die Schliessung schwierig. «Unsere Löhne sind abhängig von dieser Arbeit und für viele Menschen ist mit der Cafete für zwei Wochen ein wichtiger Ort weggefallen.» Dennoch meint Dorina, man müsse als Reitschule gemeinsam hinter einer solchen Entscheidung stehen: «Für uns war klar, dass wir schliessen, wenn es so im Plenum entschieden wird.»

Die Cafete, erklärt Dorina mit einer Ernsthaftigkeit, sei ein Ort für alle, sowohl im Kollektiv als auch im Raum selbst: «Wir versuchen, alle Menschen gleich zu behandeln.» Das Kollektiv der Cafete sei sehr durchmischt, meint Dorina. Die Mitglieder hätten verschiedene Nationalitäten und würden verschiedene Sprachen sprechen. Und weil Personen aus dem Kollektiv sich selbst auch in prekären Situationen befunden haben oder befinden, könnten sie die Lebenssituationen vieler Besucher*innen nachvollziehen. «Ich weiss, es gibt Optionen, aus solchen Situationen rauszukommen, man muss den Menschen eine Möglichkeit geben, sich zu engagieren, Teil von etwas zu werden, ihnen einen Weg aufzeigen.»

Man kennt sich
Dorina erzählt, dass sie viele der Cafete-Besucher*innen persönlich kenne, dass sie ihre Lebenssituationen deshalb einschätzen, sich aber auch durchsetzen könne, wenn es zu Übergriffen, sonstigen Gewaltakten oder zu offenem Deal in der Cafete komme. Im besten Fall führt die Tatsache, dass man sich kennt, dazu, dass es im Raum gar nicht erst zu solchen Vorfällen kommt: «Die Menschen respektieren diesen Raum, sie wissen, was sie hier tun können und was nicht, sie respektieren uns.»

Wenn die Cafete geöffnet hat, sitzt jemand am Eingang, der den Besucher*innen das Awareness-Konzept erklärt und gewisse Besucher*innen nach Vorfällen auch vom Eintritt abhält. «Wir erklären ihnen, dass sie von der Cafete für eine bestimmte Zeit eine Pause bräuchten. Und die Cafete auch von ihnen. Sie haben dann die Möglichkeit, an unsere nächste Sitzung zu kommen und mit uns gemeinsam über die auferlegte Pause zu sprechen oder auch über ihre Situation. Wir sind da, wie gesagt, sehr offen.» Das Konzept funktioniere gut, sagt Dorina. Auch wenn sie manchmal erste Hilfe leisten, die Ambulanz rufen, Menschen aus dem Raum verweisen muss. Oder ihr von hinten eine Flasche angeworfen wird. «Die Menschen sind manchmal wütend und die Wut lassen sie manchmal an mir aus, wenn ich am Eingang sitze. Aber das gehört dazu.»

Auch für Pascal von Medina ist klar: Der Kontakt mit den Menschen auf dem Platz, auch mit denen, die Gewalt ausüben, ist wichtig. Nur so könne das Vertrauen aufgebaut werden, dass es brauche um Regeln zu etablieren. Jeden Donnerstag- und Freitagabend öffnet Medina seinen Container und schafft damit einen Treffpunkt und eine Anlaufstelle auf der Schützenmatte für Personen, die von vielen anderen Orten ausgeschlossen sind.

Lösungen?
Pascal meint, es gäbe immer wieder Phasen in denen es zu mehr Gewalt komme. Ein nachhaltiger Lösungsweg fehle nach wie vor. Lösungsansätze sieht er in der Entkriminalisierung von Drogenkonsum, dem Einrichten von Dealercornern und in der Schaffung von mehr Notschlafstellen. Die Repression der Polizei erschwere jedoch die Arbeit von Medina und trage kaum zur Verbesserung der Situation bei. Aber für Pascal ist auch klar: «So lange es Menschen gibt, die durch die Maschen der Sozialsysteme fallen, die in prekären Situationen leben, wird das auch an einem Ort sichtbar bleiben.»

Seit der Wiedereröffnung sei es zu keinen grösseren Zwischenfällen gekommen, so Pascal. Mit der Öffnung der Reitschule kommen wieder mehr Leute auf den Platz. Besuchende der Reitschule und Leute, die sowieso auf dem Platz sind, mischen sich. «Wenn der Platz belebter ist, ist es auch viel schöner dort zu sein. Ich denke, das wünsche ich mir am meisten: dass der Platz wieder stärker zum Treffpunkt für alle möglichen Menschen wird.»