megafon | Sachliche Fassade, dünn aufgetragen

5. April 2021

Sachliche Fassade, dünn aufgetragen

Text: Basil Schöni

Die selbsternannte Jugendbewegung «Mass-Voll» will den Coronademos einen Anschein von Sachlichkeit verpassen. Doch mehrere Kernmitglieder verbreiten Falschinformationen über die Pandemie oder werben in Verschwörungs-Chats um Mitstreiter*innen. Das ‹megafon› hat die öffentlichen Kanäle von «Mass-Voll» und seinem Kernteam unter die Lupe genommen. Und lauter Widersprüche gefunden.

Vom offiziellen «Mass-Voll»-Account wurden Falschinformationen aus zweifelhafter Quelle verbreitet

Es ist Freitag, der 26. Februar 2021, kurz vor halb acht. Der Luzerner FDP-Politiker und AUNS-Vorstand Nicolas Rimoldi setzt eine Nachricht in den Telegram-Kanal ab, den er genau einen Monat zuvor gegründet hat. «Jetz simmer da. Nach Wuche intensivem Schaffe gömmer live! Es ish Ziit, dass d Jugend sech wehrt.» Es ist der Tag an dem die selbsternannte ‹Jugendbewegung› «Mass-Voll» erstmals öffentlich auftritt. Das Ziel: Alle Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sollen sofort beendet werden. Ungeachtet der epidemiologischen Lage. Egal wie voll die Spitäler sind.

Um dieses Ziel zu erreichen, gibt sich das ursprünglich drei und mittlerweile sechzehn Personen umfassende «Kernteam» um Rimoldi betont gemässigt. «Wir sind sachlich und evidenzbasiert, keine Verschwörungstheorien», lautet eine der Regeln im Telegram-Chat. Nach einer Demonstration in Chur vom 6. März, bei der etwa 4000 Menschen gegen die Corona-Massnahmen protestierten, lässt sich Rimoldi im «Blick» zitieren: «Verschwörungstheorien und Extremismus haben bei uns ausdrücklich nichts verloren».

Doch dieser Schein trügt.

Wie Recherchen des ‹megafon› zeigen, verbreiten Kernmitglieder von «Mass-Voll» absurde Falschinformationen und teilweise sogar Verschwörungserzählungen über die Pandemie. Rimoldi selbst warb zum Start der «Bewegung» aktiv in einem Verschwörungskanal für die Gruppe. Und mehrere Personen des Kernteams scheinen rechtsextremen Akteuren und Inhalten näher zu sein, als die Gruppe nach aussen vorgibt.

Das alles merkt freilich nicht, wer erst seit dem öffentlichen Auftreten von «Mass-Voll» in ihren Kanälen mitliest. Scrollt man aber etwas weiter zurück und schaut sich die Aktivitäten der Kernmitglieder auf anderen Kanälen an, offenbart sich schnell ein anderes Bild.

Der «Mass-Voll»-Account: Zentralbanken, die Fake-Pandemie …

Am offensichtlichsten zeigt sich dies in Posts des offiziellen «Mass-Voll»-Accounts, keine vier Wochen vor dem Gang an die Öffentlichkeit. Als am 31. Januar in Wien und Berlin Grossdemonstrationen gegen die Corona-Massnahmen stattfinden, postet ein*e Admin zwei Videos in den «Mass-Voll»-Chat. Diese stammen nicht von «Mass-Voll» selbst, sondern aus zwei anderen Telegram-Kanälen mit den klingenden Titeln «Great Awakening DE» und «Great Awakening Official». Beides Anspielungen auf das in QAnon-Kreisen erwartete «Grosse Erwachen». In den «Mass-Voll»-Chat wurden die Videos mit der Weiterleitungsfunktion von Telegram geteilt.

Das eine Video zeigt die Demo in Berlin und hat ansonsten nicht viel Inhalt. Im Begleittext wird es aber schnell wirr: «Nach Wien nun tausende Kerzen gegen den Bankenterror in Berlin! […] Tausende Protestierende stehen in Berlin mit Kerzen in ihren Händen auf und demonstrieren gegen den internationalen Zentralbanken-Kartell-Terror und die Fake-Pandemie!»

Ähnlich klingt es im Begleittext zum anderen Video, das Bilder aus Wien zeigt: «Wien 31.01.2021, das ist historisch! Die letzten Tage des von kriminellen Zentralbanken geführten, korrupten, europäischen Lockdown-Regimes!»

«Mass-Voll»-Admins teilten im Chat auch Verschwörungserzählungen

Das Video aus Berlin stammt ursprünglich vom deutschen Verschwörungsideologen und Youtuber «Aktivist Mann», der sich am Ende des Clips mit Namen verabschiedet. In seinem Telegram-Kanal wird unter anderem behauptet, dass Masken und Teststäbchen mit Parasiten, sogenannten «Morgellons», verseucht seien.

Wusste «Mass-Voll» vom zweifelhaften Ursprung des Videos? Vielleicht nicht.
Kümmert es sie, wessen Propaganda sie mit solchen Videos weiterverbreiten? Offensichtlich nicht.

… und Desinformation von ‹QanonStormBase›

Nur drei Tage später legt der «Mass-Voll»-Account nach. «Die schreckliche Wahrheit hinter dem Corona-Terrorismus!», lautet der Begleittext zu einem Video, in dem Dolores Cahill, Medizinerin des University College in Dublin und ehemalige Vorsitzende der rechten Kleinstpartei «Irish Freedom Party», abenteuerliche Falschbehauptungen über mRNA-Impfungen verbreitet.

Darin behauptet Cahill, dass rund 80% der Geimpften in der Altersklasse über 75 aufgrund der mRNA-Impfstoffe eine Autoimmunerkrankung entwickeln würden, welche «life-limiting events» oder sogar den Tod zur Folge habe. Das Dubliner University College hatte sich bereits im Juni 2020 von den unwissenschaftlichen und allesamt widerlegten Aussagen Cahills distanziert.

Auch dieses Video stammt nicht von «Mass-Voll» selbst, sondern wurde aus einem anderen Chat weitergeleitet. Sein Ursprung: Der tief im Verschwörungssumpf verortete Telegram-Kanal ‹QAnonStormBase›.

Ob Mitglieder des «Mass-Voll»-Kernteams selber in diesen QAnon-Chats sitzen, lässt sich nicht feststellen. Es ist gut möglich, dass die Videos in einen anderen Kanal geteilt, dort von «Mass-Voll»-Administrator*innen entdeckt und schliesslich in den eigenen Chat weitergeleitet wurden. Auch wer genau die Videos weitergeleitet hat, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich aber entweder um Nicolas Rimoldi, Ben B., Daria B. oder Carla W. Diese vier Personen nennt Rimoldi drei Tage nach dem Impfvideo von Cahill als jene, die für «Mass-Voll» gerade «Organisation planen und Mittel organisieren».

Fakt bleibt aber: Weder der unwissenschaftliche Inhalt des Impfvideos, noch die offensichtlichen Verschwörungserzählungen in den Begleittexten und Ursprungs-Chats haben «Mass-Voll» davon abgehalten, die Nachrichten zu verbreiten.

Nicolas Rimoldi: Werbung im Verschwörungskanal

Nicolas Rimoldi ist einer der Initiator*innen und Co-Präsident des Vereins «Mass-Voll», welcher nach seiner Vorstellung ursprünglich «Libertas» heissen sollte. Er ist neben seinen FDP- und AUNS-Mitgliedschaften Verantwortlicher für Marketing und Onlineredaktion bei der Zeitschrift «Schweizer Monat» und provoziert auf Twitter gerne mit harter Polemik.

Um seine «Bewegung» gross zu machen, zeigt er keine Scheu, auch im wissenschaftsferneren Teil der Coronademo-Szene Werbung zu machen. So postete er im von Verschwörungserzählungen nur so strotzenden Chat «Open Mind-Community» die Einladungsnachricht für seinen unmittelbar vorher live gegangenen «Jugendverein».

Werbung im Verschwörungs-Chat. Direkt darüber: QAnon-Inhalte.

Neben der eigenen Werbung im Verschwörungsteil der Corona-Skeptiker*innen freut sich Rimoldi auch über Aufmerksamkeit von Grössen der Verschwörungsszene. Im «Mass-Voll»-Chat postete Rimoldi einen Screenshot, der den Kanal des QAnon-Anhängers Xavier Naidoo zeigt. Naidoo hatte dort einen Post von «Mass-Voll»-Mitglied Joyce Küng für seine 112’000 Abonnent*innen geteilt. Der geteilte Post zeigt einen Tweet von Rimoldi selbst. Rimoldis Kommentar zu dieser zweifelhaften Ehre: «Geil».

Durch alles andere als der neuerdings propagierten Sachlichkeit fiel Rimoldi bereits vor der Lancierung von «Mass-Voll» auf. So verglich er einen gelben Zettel, den er bei einer Reise mit den Jungfrau-Bahnen erhielt, um auf sein Maskenattest hinzuweisen, mit den Judensternen im nationalsozialistischen Deutschland. In einem Tweet kommentierte er eine ähnliche Massnahme im Skigebiet Laax mit «fehlt nur noch eine Armbinde für Nicht-Geimpfte». Und zu einem «Bild»-Artikel über ein sich in Planung befindliches Gefängnis für Quarantänebrecher*innen im deutschen Sachsen schrieb er: «Deutschland baut wieder Lager.»

Verharmlosender Vergleich des «Mass-Voll»-Initianten

Daria B.: Corona ist gar nicht ansteckend

Ein frühes Kernmitglied von «Massvoll» ist auch Daria B. Gemäss Website von «Mass-Voll» ist ihr Aufgabenbereich die «Leitung Social Media». Besonders sorgfältig scheint sie dabei aber nicht vorzugehen.

So postete Daria B. im bekannten «Corona Rebellen Chat» weitere widerlegte Behauptungen von Dolores Cahill, wonach inhalative Steroide, Hydroxychloroquin und Zink wirksame Therapien gegen Covid-19 darstellten. Begleitet wird das Video von der wirren Behauptung, die WHO habe «eine Kehrtwende vollzogen», sage nun, dass «Corona-Patienten weder isoliert noch unter Quarantäne gestellt» werden müssten, und dass das Virus «nicht einmal von einem Patienten auf einen anderen übertragen werden» könne.

Auch dieses Video wurde aus einem anderen Kanal weitergeleitet. Der Titel des Ursprungschats: «Flache Erde Deutschland».

Absurde Falschinformationen über die WHO

Lea M.: Verschwörungsgeraune für Kanti-Schüler*innen

Lea M. ist das vermutlich jüngste Mitglied des Vereins und wird als einziges Kernteam-Mitglied nur mit Vornamen auf der Website gelistet. Der Aufgabenbereich der 17-jährigen bei «Mass-Voll» wird als «Projekte & Social Media» angegeben. Auf der Webseite des Vereins ist auch ihr Instagram-Profil verlinkt: Ein Account mit dem Namen «wearenotokwiththis.kzo», welcher sich wohl an Schüler*innen der Kantonsschule Zürcher Oberland richtet.

Dort werden neben Demoaufrufen und Zeitungsartikeln auch Falschinformationen und zweifelhafte Andeutungen verbreitet. Auf einem abgebildeten Flyer wird gesagt, dass von den Behörden eine «andere Agenda» verfolgt werde, dass es sich um «international koordinierte Korruption» handle. Auf einem weiteren Flugblatt steht, dass es keine zweite Welle gäbe und dass «die Pandemie faktisch beendet» sei.

Auch ein Video des tief in Verschwörungserzählungen abgerutschten deutschen Musikers Michael Wendler wird gepostet, in welchem er von «gleichgeschalteten» und «politisch gesteuerten» Medien spricht und für seinen Kanal wirbt. Wendler betreibt einen Telegram-Kanal mit knapp 161’000 Abonnent*innen, auf dem er unter anderem von der «Firma BRD» spricht und die Mär der parasitenverseuchten Teststäbchen verbreitet.

Angeblich verfolgen «die Behörden» eine «andere Agenda»

Manuela A.: Tödliche mRNA-Impfungen und «Der Sturm»

Auch Manuela A. («Leitung Kommunikation»), nimmt es mit der kritischen Quellenanalyse nicht so genau. In den «Mass-Voll»-Chat postete sie einen Link auf die Website hpv-vaccine-side-effects.com. Die Artikel dort tragen reisserische Titel wie «Warum sind mRNA Impfungen so gefährlich?» oder «Wieso Menschen wenige Monate nach der mRNA Impfung womöglich sterben werden» und entbehren jeglicher Wissenschaftlichkeit.

Auch auf ihrem Facebookprofil hantiert Manuela A. mit zweifelhaften Quellen. Dort verlinkt sie unter anderem Russia Today (ein russischer Staatssender), Daniele Ganser (ein Schweizer Verschwörungsideologe) und Unzensuriert.at («äusserst fremdenfeindlich», «antisemitische Tendenzen» und «verschwörungstheoretische Ansätze», so das Österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung).

A. ist zudem Mitglied im Telegramchat «Der Sturm», welcher zuletzt wegen rechtsextremistischen Aufrufen zu Gewalt und «führerlosem Widerstand» im Fokus der Öffentlichkeit stand. Sie trat dem Chat am 14. Januar bei, womöglich über einen kurz zuvor geposteten Verweis im «Corona Rebellen Chat». Gegründet wurde «Der Sturm» einen Tag vorher, am 13. Januar.

Ob Manuela A. über den extremistischen Hintergrund des Chats Bescheid wusste, lässt sich nicht beantworten. Als grösstenteils inaktives Mitglied postete sie lediglich zwei Nachrichten in den Chat. Dass sie nach mehreren Medienberichten über die Gruppe, eindeutigen Gewaltaufrufen und Anleitungen zum «totalen Widerstand» immer noch Teil von «Der Sturm» ist, hinterlässt aber einen fahlen Beigeschmack. Neben «Der Sturm» und «Mass-Voll» ist A. auch Mitglied in den von Desinformation und Verschwörungserzählungen geprägten Chats «FreaKsTeamQ» und «Widerstand2020».

Ein Kernmitglied ist bereits seit Januar Teil des Chats «Der Sturm»

Joyce Küng: Fundamentales Christentum …

Eine interessante Besetzung für das Kernteam von «Mass-Voll» stellt die Multimediaproduzentin und Inhaberin einer Marketingagentur Joyce Küng dar. Sie war Gründungsmitglied des Vereins «Bürgerforum Schweiz», welcher im letzten Jahr Demonstrationen gegen die Coronamassnahmen organisierte. Sie trat dort gemeinsam mit Daniel Regli als Teil der Vereinsleitung auf. Regli wiederum war bis Anfang April 2021 Präsident des Vereins «Marsch fürs Läbe» und fiel im Zürcher Gemeinderat mit schwulenfeindlichen Aussagen auf. Mittlerweile wird Küng auf der Website des «Bürgerforums» nicht mehr erwähnt.

Zusätzlich zu ihrem Engagement bei «Mass-Voll», wo sie die Leitung des «Content-Teams» innehat, betreibt die Corona-Aktivistin erster Stunde einen eigenen Telegram-Kanal. Dort verbreitet Küng neben Hinweisen auf Demos und allgemeinen Kommentaren zum Weltgeschehen auch seltsam anmutende Andeutungen auf ‹versteckte› Zusammenhänge sowie Links auf ausgewachsene Verschwörungsseiten.

So postete sie beispielsweise ein Bild, das vermeintliche «Pädo-Zeichen» auf einem Coop-Papiersack zeigt – dreieckige Zeichnungen, die Logos aus der pädokriminellen Szene ähneln. Dazu die Frage: «Was denkt ihr, ist die Verpackung zufällig oder bewusst gewählt? Ich bin immer etwas vorsichtig mit solchen Themen, denn keiner würde zugeben, so was bewusst in einer Marketingstrategie umzusetzen. […]»

Gerüchte über «Pädo Zeichen» auf einem Coop-Papiersack

… die Illuminaten …

An anderer Stelle thematisiert Küng die Tatsache, dass Bundesrat Alain Berset bei verschiedenen Instagram-Posts der Neuenburger Kunstgalerie ‹Galerie C› Likes hinterlassen hat. Unter anderem bei Bildern des Wiener Künstlers Gottfried Helnwein. Über diesen sagt Küng zum Schluss ihres Videos: «Der Künstler sagt auf ORF, dass er für das Gute steht und einfach nur aufmerksam machen will, aber seine ganze Symbolik ist von diesen Illuminaten. OK. Lassen wir mal so stehen.» Mit ironischem Unterton fügt sie an: «Und unser Bundesrat Berset liket seine Bilder. OK. Kein Problem. Kann ja passieren».

Von Bersets Instagram-Likes schlägt Küng einen Bogen zur «Symbolik» in der Kunst allgemein und verlinkt dazu die Website vigilantcitizen.com. Diese bezeichnet sie als ihre «erste Truther-Webseite», die sie seit 2009 verfolge. Auf der Seite werden Verschwörungserzählungen verschiedener Art verbreitet. So etwa ein Artikel über die WHO, welche angeblich die Covid-19-Pandemie benutze, um eine «New World Order» nach dem Vorbild Chinas zu schaffen. Der Artikel den Küng verlinkt, dreht sich um Britney Spears, welche angeblich im Alter von 13 Jahren in das «Illuminati mind-control system» von Disney gezogen worden sei.

Begleittext zum Video über Bersets Instagram-Likes

… und ein Rechtsextremist

Küng pflegt zudem ausgezeichnete Kontakte zu wichtigen Playern der Coronademo-Szene. Der vielerorts aktive Schweizer Verschwörungsideologe mit dem Pseudonym «Luitpold von Zähringen» wurde von Joyce Küng persönlich zum «Mass-Voll»-Chat hinzugefügt. Ebenso eine Administratorin des seit April 2020 existierenden und für die Bewegung wichtigen «Corona Rebellen»-Chats.

Am 27. Dezember traf sich Joyce Küng zudem zu einem mehrstündigen Gespräch mit dem Rechtsextremisten Ignaz Bearth – dem sogenannten «Auslandbeauftragten» der PNOS. Dieser betreibt einen stark nach Deutschland ausgerichteten Telegram-Kanal, in welchem er allerlei Desinformation und Propaganda verbreitet. Der Inhalt des dreistündigen Gesprächs zwischen Küng und Bearth ist nicht bekannt – eine Aufzeichnung des Streams ist nicht mehr verfügbar.

Küng arbeitet seit April 2021 für den «Schweizer Monat», wo auch Rimoldi tätig ist.

Die Ankündigung des Livestreams mit dem PNOS-Exponenten Ignaz Bearth

Tobias A.: Es ist gar keine Epidemie

Ungewohnt deutlich wird Tobias A., der bei «Mass-Voll» für Kommunikation und Merchandise verantwortlich ist. Nachdem am 31. März ein belgisches Gericht in erster Instanz entscheidet, dass für die dortigen Gesundheitsmassnahmen die gesetzliche Grundlage fehlt, wird im Chat rege über das Ereignis diskutiert.

Auf die vielfach geäusserte Hoffnung, dass ein ähnliches Urteil auch in der Schweiz möglich sein könnte, schreibt ein User, dass ein solches Urteil in der Schweiz nicht passieren könne, da das Epidemiengesetz die nötige Grundlage für die Massnahmen bilde. Tobias A. sieht das anders – mit bemerkenswerter Begründung. Er antwortet: «Nein. Keine Epidemie!».

Die Äusserung bleibt unwidersprochen.

Sind wir gar nicht in einer Epidemie?

Olivier Chanson: Hanau war kein Terroranschlag

Ein weiteres Kernmitglied von «Mass-Voll» ist Olivier Chanson – ehemaliger Vorstand der JSVP Zürich Sektion West/City. Der Jungpolitiker tritt im Telegram-Chat nicht mit echtem Namen auf. Bei der «Jugendbewegung» ist er für Multimedia und Grafikdesign zuständig.

Ein Blick auf sein Profil auf der Wahlempfehlungsplattform Vimentis gibt einen deutlichen Eindruck seiner politischen Ausrichtung. Dort schreibt er: «Der demografische Wandel (auch Bevölkerungsaustausch genannt) muss endlich angesprochen und als Problem für unsere Gesellschaft & Kultur erkannt werden».

Der Begriff des «Bevölkerungsaustauschs» dürfte dabei kaum zufällig gewählt sein. Er ist in rechtsextremen Kreisen beliebt und bezeichnet die Vorstellung, dass die Bevölkerung westlicher Länder durch Zuwanderung ‹ausgetauscht› werde und bald eine Minderheit darstelle. Wahlweise sei dies ein gezielter Plan angeblicher ‹Eliten› oder auch nur eine direkte Folge von Migrationsströmen. Sowohl der rechtsextreme Attentäter von Christchurch wie auch der Rechtsterrorist, der in Halle zwei Personen ermordete, verwendeten die Begriffe des «Bevölkerungsaustauschs», respektive des «Grossen Austauschs».

Auch die Facebookseite von Olivier Chanson lässt tief blicken: Dort leugnet er ungeniert den rechtsextremen Hintergrund des Terroranschlags in Hanau. So schreibt er zu einem Bericht des SRF über rechte Terrorereignisse in Deutschland, dass in Hanau «ein Amoklauf aber kein rechter Terroranschlag» stattgefunden habe. Als weiterführende Lektüre empfiehlt er einen Artikel des rechtsextremen Magazins «Info-Direkt» («Das Magazin für Patrioten»), welches von den «herrschenden Eliten» spricht, die die Tat von Hanau für «politisches Kleingeld» instrumentalisieren würden. Das Magazin widmete der Erzählung des «Grossen Austausches» im Jahr 2016 ein ganzes Heft.

Der JSVP-Politiker propagiert den «Bevölkerungsaustausch»

Bürgerliche Schale, zweifelhafter Kern

Was bleibt also übrig von den Selbstzuschreibungen der «Bewegung»?

«Wir sind sachlich und evidenzbasiert»
«Verschwörungstheorien und Extremismus haben bei uns ausdrücklich nichts verloren»

Man muss nicht allzu tief graben, um diese Behauptungen als das zu entlarven, was sie sind: Gutes Marketing. Rimoldi und seine Mitstreiter*innen haben begriffen, dass die Bewegung der Corona-Skeptiker*innen ein massives Imageproblem hat, dem nur mit einem Anschein von Sachlichkeit, Wissenschaftlichkeit und vorgeblicher Distanzierung von Verschwörungserzählungen und Extremist*innen begegnet werden kann.

Dass fast die Hälfte der «Mass-Voll»-Kernmitglieder im besten Falle NS-Vergleiche zieht und im schlechtesten selbst Desinformation und Verschwörungserzählungen verbreitet, scheint dabei egal zu sein. Hauptsache die Fassade steht.

Wer nicht hochscrollt, merkt das ja nicht.

 

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